Planungsrechtliche Einschätzung Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) vom 17.11.2014

Planungsrechtliche Einschätzung Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) vom 17.11.2014

Das Bundeskabinett hat im April 2014 einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Länderöffnungsklausel zur Regelung der Abstände von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung beschlossen. Die Öffnungsklausel wurde in § 249 Abs. 3 des BauGB aufgenommen. Zur Umsetzung dieser Vorgaben hat die Bayerische Staatsregierung am 17.11.2014 ein entsprechendes Gesetz zur Änderung der BayBO beschlossen. Die Gesetzesänderung ist am Tag nach der Bekanntmachung im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt am 20.11.2014 in Kraft getreten.

Das Planungsbüro TB|MARKERT möchte hiermit über seine Einschätzung der aktuellen Sachlage informieren, Ihnen als kommunaler Entscheidungsträger helfen, den Überblick zu behalten und die für Sie richtige Entscheidung zu treffen.

Die Privilegierung von Windkraftanlagen gem. § 35 Abs. 1 BauGB wird durch die Änderung der BayBO eingeschränkt. Die Bemessungsgrundlage der Abstände ist im Art. 82 Abs. 1 und Abs. 2 geregelt. Wenn bis zum 21.11.2014 bereits Konzentrationszonen rechtskräftig ausgewiesen wurden, gilt gemäß Art. 82 Abs. 4 die Neuregelung für die Abstände von Windkraftanlagen grundsätzlich nicht.

Ausnahmen bilden das Einspruchsrecht sowohl der Beleg- als auch der Nachbargemeinde. Das bedeutet die planende Gemeinde (Beleggemeinde) kann selbst bestimmen (per Bekanntmachung), ob die Neuregelung nach BayBO im Gemeindegebiet gelten soll oder die Privilegierung wie bisher Gültigkeit behält. Auch die Nachbargemeinde kann in ihrem Einflussbereich (2.000 m zu nächsten Wohnbebauung gem. Art. 82 Abs. 1 BayBO) Einspruch gegen eine ausgewiesene Konzentrationszone erheben.

Ob die Wirksamkeit einer Konzentrationszonenplanung insgesamt aufrecht erhalten werden kann, wenn von der Nachbargemeinde gegen einen Teilbereich Einspruch erhoben wird, ist vom konkreten Einzelfall abhängig. Je nach Flächenausstattung kann das zugrundeliegende Gesamtkonzept insgesamt durch den Wegfall von Teilbereichen in Frage gestellt werden.

Die Teilbereiche der Konzentrationszonen, gegen die Einspruch erhoben wurde, können grundsätzlich als Flächendarstellung ohne Konzentrationswirkung weitergeführt werden. Für die Umsetzung von Windkraftanlagen in diesen Bereichen ist dann die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich.

Die geänderte BayBO beinhaltet Regeln, die für die zukünftige bauleitplanerische Steuerung von Windkraftanlagen. Aufgrund der gewählten offenen bzw. allgemeinen Formulierung im Gesetzestext (z. B. wurde die Formulierung „Bauleitpläne“ und nicht Bebauungspläne gewählt), verbleibt ein gewisser Interpretationsspielraum. Diese Spielräume werden wohl erst im Rahmen vertiefender Rechtsprechung konkretisiert und können daher gegenwärtig nicht abschließend rechtssicher bewertet werden. Die vorliegende Einschätzung ist daher vorbehaltlich einer weiteren Konkretisierung durch die Rechtsprechung zu betrachten.

Zwar ermöglicht Abs. 5 des geänderten Art. 82 BayBO die Abweichung von den in Abs. 1 festgelegten Abständen, durch die in den meisten Fällen faktische Aufhebung der Privilegierung, fehlt für die Ausweisung von Konzentrationszonen jedoch regelmäßig die notwendige Erforderlichkeit. Dies gilt allerdings nur für diejenigen Kommunen in denen nach Abzug von 2.000 m Schutzradien um die entsprechende Wohnnutzung keine Eignungsflächen verbleiben und in denen zusätzlich aufgrund der Windverhältnisse nicht davon auszugehen ist, dass auch Windkraftanlagen mit geringeren Bauhöhen als 200 m betrieben werden können.

Eine wirksame Konzentrationszonenplanung ist nur unter Einbeziehung der Umsetzbarkeit der Planung möglich, zukünftig also auch unter Einbeziehung der maximalen Bauhöhen gem. der vorliegenden Änderung der BayBO.

Durch die gegenwärtig unsichere Haltbarkeit der Gesetzesänderung (vgl. Hinweis zur Gesetzeslage), ist es für eine nachhaltige Planung ratsam planerische Vorkehrungen für eine etwaige Unwirksamkeit zu treffen. Je nach Einzelfall müssen dabei individuelle Lösungen gefunden werden. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise die Beibehaltung bisheriger Ermittlungsansätze für geeignete Flächen mit einer Überlagerung der neu eingeführten Abstandsregelung als Restriktionsbereich. Eine planerische Lösung dieser Problematik muss allerdings sowohl mit als auch ohne wirksamer „10H“-Abstandsregelung funktionieren und ist daher nicht für jede Kommune geeignet. Auf die notwendige „Substantialität“ sowie das vorgeschriebene „schlüssige gesamträumlich Konzept“ für die Konzentrationsflächenausweisung wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Für diejenigen Kommunen, in denen nach der „10H“-Abstandsregelung keine möglichen Konzentrationsflächen verbleiben, besteht die Steuerungsmöglichkeit durch eine Flächendarstellung (ohne Konzentrationswirkung) im Flächennutzungsplan mit anschließender Konkretisierung in einem Bebauungsplan. Grundsätzlich ist auch die Umwandlung eines als Konzentrationszonenplanung begonnenen Bauleitplanes möglich. Da sich die Rechtswirkung der Flächendarstellung dadurch ändert, wäre ohne weitere Konkretisierung der Gesetzeslage in der Regel ein (erneuter) Beteiligungsschritt mit der geänderten Flächendarstellung notwendig, obgleich die unmittelbare Außenwirkung einer Konzentrationszone lediglich abgeschwächt wird.

In der Gesetzesänderung ist zudem die Aufforderung zu einer einvernehmlichen Lösung mit den Nachbargemeinden enthalten. In diesem Zusammenhang wird jedoch auf das ohnehin zu berücksichtigende Abstimmungsgebot für die Aufstellung von Bauleitplänen hingewiesen, sodass sich in dieser Hinsicht keine signifikante Änderung der Gesetzeslage ergibt.

Die fachlich und politisch kontrovers diskutierte „10H“-Abstandsregelung für Windkraftanlagen in Bayern ist nach der Veröffentlichung im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt am 21.11.2014 in Kraft getreten. Eine abschließende Rechts- und Planungssicherheit für Kommunen, Bürger und Investoren kann aufgrund der in Teilen notwendigen Konkretisierung der Formulierungen und der verfassungsrechtlichen Zweifel i. V. m. den angekündigten Klagen gegen die Änderung der BayBO, nachwievor nicht gewährleistet werden. Die vorliegende Einschätzung stellt vor diesem Hintergrund keine abschließende allgemein gültige Handlungsempfehlung dar.

Festzuhalten bleibt:

  • Die Privilegierung der Windkraftnutzung wird weitreichend eingeschränkt bzw. in vielen Kommunen faktisch aufgehoben
  • Die Erforderlichkeit und Möglichkeiten für die Ausweisung von Konzentrationszonen ist entsprechend zu prüfen
  • Eine Steuerung der Windkraftnutzung im Rahmen der Bauleitplanung mit der Zielsetzung Windkraftanlagen zu ermöglichen ist weiterhin möglich

Die Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich Flächenausstattung und Verfahrensstand bisheriger Planungen sowie die Ziele zur Steuerung der Windkraftnutzung sind von Kommune zu Kommune höchst unterschiedlich.

Für die Erreichung Ihrer kommunalen Ziele erarbeiten die Stadtplaner und Landschaftsarchitekten von TB|MARKERTindividuelle Konzepte und zeigen individuelle Lösungswege auf. Besonderes Augenmerk legen wir in diesem Zusammenhang auf die Einbeziehung von Experten für das Bauplanungsrecht und Verwaltungsrecht, den Bayerischen Gemeindetag als Vertreter kommunaler Interessen sowie die jeweils zuständigen Genehmigungsbehörden.

Die planungsrechtliche Einschätzung des Gesetzes von TB|MARKERT zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) vom 21.11.2014 können Sie hier herunterladen.

Für Rücksprachen steht Ihnen Herr Dipl.-Ing. Peter Markert selbstverständlich zur Verfügung. Weiterer Ansprechpartner ist in dieser Angelegenheit auch Herr Dipl.-Ing. Adrian Merdes.

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